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Donnerstag, 12. April 2012

Rezension zu "Wolfszeit" von Nina Blazon



Verlag: Ravensburger Buchverlag (März 2012)
Originaltitel: -
Übersetzer: -
Reihe: -, ab ca. 13-16 J.
Ausführung: Hardcover/SU, 576 S.
ISBN: 978-3473400706
17,99 € [D]

Genre: Historischer (Jugend)-Roman


Inhalt/Verlagsinfo
Auf ihrer Liebe lasten dunkle Schatten: Thomas und Isabelle sind einem Mörder auf der Spur, der die Wälder Frankreichs durchstreicht. Ist er ein riesiger Wolf? Die Wahrheit übersteigt jede Vorstellung.

Wer steckt hinter den grausamen Morden, die die Bewohner der Auvergne in Angst und Schrecken versetzen? Es heißt, eine Bestie in Wolfsgestalt treibe in der Gegend ihr Unwesen. Eine Delegation des Königs bricht auf, um sie zu töten. Mit dabei ist auch der Zeichner Thomas, dem sich schon bald ein dunkles Geheimnis offenbart: Weder ein Dämon noch ein Wolf allein kann die Morde begangen haben. Für seinen ungeheuerlichen Verdacht setzt Thomas seine große Liebe aufs Spiel - und sein Leben. (Text- und Bildquelle: Ravensburger Buchverlag)

Über die Autorin
Nina Blazon, geboren 1969, studierte Germanistik. Anschließend unterrichtete sie an mehreren Universitäten und arbeitete als freie Journalistin. Seit 2003 schreibt sie Fantasy, Krimis und historische Romane für Kinder und Jugendliche. Die Autorin lebt und arbeitet in Baden-Württemberg.

Rezension

Der erste Satz: Anne versuchte so leise wie möglich nach der Waffe zu greifen.

Thomas Auvray kommt aus gutbürgerlichen Haus in Paris, nahe dem Königshaus von Frankreich. Sein Vater hofft, ihn mit einer Adeligen zu verheiraten, damit die Familie Auvray endlich in den Adelsstand, und somit in die Versailler Gesellschaft, aufsteigen kann. Thomas studiert bei einem berühmten Pariser Naturwissenschaftler und hält von den Heiratsplänen seines Vaters nicht viel.
Als die Gerüchte von der "Bestie von Gévaudan", die junge Frauen tötet, bis nach Versailles reichen, muss der König handeln. Er schickt ein Jagdtrupp in die Auvergne, der die Bestie erlegen soll. Thomas begleitet die Jäger, um als Wissenschaftler festzustellen, ob es sich bei der Bestie um einen Wolf oder ein anderes Tier handelt. Die Situation in der Auvergne ist aber verzwickter und gefährlicher, als zunächst angenommen. Bald findet sich Thomas in einem spannenden Kriminalfall, der nicht nur sein eigenes Leben bedroht.

"Wenn du nicht brav bist, kommt die Bestie und frisst dich!" S. 561 - ein Spruch den viele Bewohner der heutigen Auvergne in Frankreich noch aus ihrer Kindheit kennen. Denn Nina Blazons neuester Roman "Wolfszeit" widmet sich den historischen Tatsachen und Spuren, die auch heute noch über die Bestie von Gévaudan zu finden sind. Rund um das Jahr 1766 wütete in der heutigen Auvergne ein wolfsähnliches Tier, das ganz Frankreich in Angst und Schrecken versetzte und auch heute noch die Forscher beschäftigt. Die Bestie von Gévaudan ist ein gerne aufgegriffenes Romanthema. Frau Blazon hat durch sorgfältige Recherchearbeit einen Roman geschrieben, der sich nahe an der tatsächlichen Geschichte orientiert, dem die Autorin aber durch eigene Ideen eine spannungsgeladene Handlung mitgegeben hat. Als wäre die historische Geschichte nicht schon spannend genug, wird hier ein Kriminalfall präsentiert, der den Lesend vollends in die Geschichte eintauchen lässt.

"Wolfszeit" wird zwar in der Sparte historischer Jugendroman geführt, ist aber alles andere als ein einfaches Buch und zudem ohne 08/15 Handlung. Sprachlich bewegt sich der Roman im oberen Niveau, der Schreibstil ist flüssig und sehr bildlich ohne überladen zu wirken. Eine längere Einlesezeit könnte gerade Jugendlichen den Einstieg in die Geschichte erschweren. Viele Personen mit französischen Namen, aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, machen ein ständiges Blättern zum vorhandenen Personenverzeichnis (Danke hierfür!) unumgänglich. Gerade am Anfang konzentriert sich die Handlung nicht auf die Hauptprotagonisten, sondern schildert die Gefahr durch die Bestie. Hier wechseln ständig die Erzähl-Perspektiven. Auch zu Personen, die nur dieses eine Mal in der Handlung vorkommen und dann nicht mehr, eventuell nur noch durch dritte Personen kurz erwähnt werden. Das scheint anfangs sehr verwirrend, gibt aber schlussendlich ein logisches Gesamtbild vom Ausmaß der Gefahr, in der die Menschen im "Bestien-Gebiet" schweben. Sind die gefährlichen Umstände und die handelnden Personen bekannt, nimmt der Roman an Fahrt auf und beginnt Spaß zu machen. Dieser Sog an Spannung dauert bis zum unerwarteten Ende an.

Als Hauptcharakter Thomas zusammen mit dem Jagd- und Ermittlungstrupp im Gévaudan ankommt, nimmt man sofort wahr, dass er nicht in diese ländliche Gegend passt. Die Bauern bringen diesem jungen Stadtmenschen viel Misstrauen entgegen, und von vielen Adeligen wird er als Sohn aus bürgerlichem Hause nur belächelt. Natürlich macht das Thomas unsicher, aber er kämpft sich standhaft durch und lässt seine Unsicherheit nur selten durchblicken. Darum wirkt er authentisch und findet schon bald Anschluss und Freunde. Thomas ist der Sympathieträger der Geschichte. Mit seiner Beharrlichkeit bringt er nicht nur die Ermittlungen im Fall der Bestie voran. Er deckt auch ein streng gehütetes Familiengeheimnis auf, mit dem man nicht gerechnet hätte.
Die Charakterzüge einer jeden Romanperson, ob real oder fiktiv, sind markant und plausibel. Schnell findet man zu einigen Personen Zugang, während andere einfach kühl und unsympathisch bleiben. Einzig ein unausstehlicher Grafenneffe hätte ruhig noch etwas durchtriebener sein dürfen, um die Spannung nochmals zu steigern.

Einmal auf Bestienverfolgungskurs gebracht, lässt einen die Handlung nicht mehr aus ihren Klauen, bis die Zeit des Wolfs zu Ende geht und des Rätsels Lösung in greifbare Tatzen, bzw. Nähe, rückt. Hier punktet "Wolfszeit" indem Frau Blazon der selbst angelesenen Logik immer wieder ein Schnippchen schlägt. Die Lösung dürfte so mancher Leser nicht einmal in Erwägung gezogen haben. Spannung pur!
Das Buch beinhaltet eine zarte Liebesgeschichte die gekonnt in die Haupthandlung mit einfließt. Auch wenn sie sich nicht aufdrängen, sind die Gefühle von Thomas und Isabelle stets nachvollziehbar.
Obwohl die Geschichte der Bestie von Gévaudan großen Raum für übersinnliche Spekulationen lässt, genährt aus dem (Aber)Glauben der Menschen in der Region, ist "Wolfszeit" auf erforschten historischen Gesichtspunkten aufgebaut. Der Einzelroman ist kein Fantasybuch und nicht mit anderen Jugendbuchwerken der Autorin zu vergleichen.

Persönliches Fazit
"Wolfszeit" benötigt tatsächlich etwas Zeit um seine Krallen auszufahren. Nach erwähnter Einlesezeit habe ich mich dann aber tatsächlich festgebissen (oder besser, festgelesen) und die 570 Seiten im Nu gefressen. Ein liebenswerter Hauptprotagonist und eine hohe Grundspannung sorgen für den bestialischen Lesespaß. Nach einer völlig unerwarteten Lösung im Rätselfall der Bestie von Gévaudan und einem schön ausklingenden Ende war ich (lese)satt und glücklich. Darum: Etwas Biss und Ausdauer sollten geneigte Leser für den Buchanfang von "Wolfszeit" mitbringen. Danach wird das Buch zum lohnenden Schmökerhappen. 4 Sterne!


Aufmachung: 4 / 5
Handlung: 4,5 / 5
Charaktere: 4 / 5
Lesespaß: 4 / 5
Preis/Leistung: 4 / 5

© Damaris Metzger, damarisliest.de